FG Münster, Urteil vom 20.10.2022 – 8 K 174/21 GrE
Mit Anmerkungen von Sebastian Sträter, Dipl.-Finanzwirt und Steueramtsrat im Niedersächsischen Finanzministerium
Leitsatz des Autors
Der Geldausgleich für ein Ökokonto nach § 32 LNatSchG NRW (Ökokonto VO) ist als Teil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer anzusetzen.
Der Sachverhalt
Die Klägerin war Teilnehmerin eines Beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens nach dem Flurbereinigungsgesetz (FlurbG). Nach dem Zusammenlegungsplan hatte die Klägerin kein Grundstück eingeworfen, aber mehrere Grundstücke erhalten. Für eines dieser Grundstücke hatte der Voreigentümer die Einrichtung eines Ökokontos nach der Verordnung über die Führung eines Ökokontos (Ökokonto VO) nach § 32 des Landesnaturschutzgesetzes (LNatSchG NRW) beantragt und erhalten.
Die Bezirksregierung teilte dem Beklagten (Finanzamt – FA) die angeordnete Ausführung des Zusammenlegungsplans mit und bat um Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung. Das FA setzte daraufhin Grunderwerbsteuer fest und bezog dabei den Geldausgleich für die Übernahme des Ökokontos in die Bemessungsgrundlage ein. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Urteil
Das FG Münster hat entschieden, dass der Geldausgleich für ein Ökokonto im Sinne der Ökokonto VO als Teil der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer anzusetzen ist. Leistungen für ein Grundstück, auf dem Ökopunkte ruhen, werden in voller Höhe für das Grundstück erbracht, dessen Zustand die Ökopunkte in einem gewissen Umfang repräsentieren, und nicht daneben für ein eigenständiges Wirtschaftsgut „Ökopunkte“.
Urteilsanmerkungen
Mit seinem Urteil bestätigt das FG Münster die Auffassung des FA.
Zur Steuerbarkeit: Ist der Flurbereinigungsplan unanfechtbar geworden, ordnet die Flurbereinigungsbehörde dessen Ausführung an (§ 61 Satz 1 FlurbG). Der im Flurbereinigungsplan vorgesehene neue Rechtszustand tritt zu dem in der Ausführungsanordnung zu bestimmenden Zeitpunkt an die Stelle des bisherigen Rechtszustands (§ 61 Satz 2 FlurbG). Der dabei kraft Gesetzes erfolgende Übergang des Eigentums an den Grundstücken der Klägerin unterliegt unstreitig nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Eine Einschränkung der Steuerbarkeit, die sich ergeben würde, wenn und soweit die erworbenen bzw. zugeteilten Grundstücke mit den eingebrachten Grundstücken identisch, d.h. flächen- und deckungsgleich, sind (vgl. analog BFH-Urteil vom 29.10.1997 – II R 36/95 – BStBl II 1998 S. 27, zu den Verfahren der Baulandumlegung), kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil die Klägerin keine Grundstücke in das Verfahren eingebracht hatte.
Zur Steuerpflicht: Die Grundstückserwerbe sind unstreitig steuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG in der bis zum 28.12.2020 geltenden Fassung kommt nicht in Betracht. Mangels Grundstückseinbringung hat die Klägerin die ihr zugeteilten Grundstücke nicht als Landabfindung erhalten. Stattdessen wurde ihr gemäß § 54 Abs. 2 FlurbG infolge von Geldabfindungen und nach § 46 FlurbG Land zugeteilt, welches nicht zur Abfindung der Teilnehmer benötigt wurde. An dieser Stelle sei auf die mit Wirkung zum 29.12.2020 in Kraft getretene Neuregelung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG hingewiesen, auch wenn sie in streitfallähnlichen Fällen zu keinem anderen Ergebnis führen würde (denn auch die Neuregelung setzt für ihre Anwendung die Einbringung von Grundstücken in das jeweilige Verfahren nach dem FlurbG voraus). Die Neuregelung ersetzt die bisherigen aufwendigen Abgrenzungsfragen von unvermeidbaren/vermeidbaren sowie unwesentlichen/wesentlichen Mehrzuteilungen usw. durch ein vereinfachtes typisierendes Saldierungsprüfschema. Dieses ist m.E. durchaus zu begrüßen, da es das dem FlurbG immanente Grundprinzip der wertgleichen Abfindung für die Frage des Befreiungsumfangs umsetzt. Steuerfrei ist danach die wertgleiche Landabfindung in Höhe des Sollanspruchs. Dieser ergibt sich aus dem Wert der eingebrachten Grundstücke i.S.d. § 2 GrEStG aus der Anspruchsberechnung für die Teilnehmer und ist der Anspruch auf wertgleiche Abfindung vor Landabzug nach § 47 FlurbG. Übersteigt die Abfindung eines Teilnehmers in Land seinen Sollanspruch, liegt eine Mehrzuteilung vor. Diese umfasst den Teil der Zuteilung, der den Sollanspruch übersteigt. Eine Mehrzuteilung ist dann insgesamt steuerfrei, wenn der Wert des dem neuen Eigentümer zugeteilten Grundstücks seinen Sollanspruch nicht um mehr als 20 % übersteigt (unwesentliche Mehrzuteilung). Erfolgt dagegen eine Zuteilung, die den Sollanspruch um mehr als 20 % übersteigt (wesentliche Mehrzuteilung), ist die gesamte Mehrzuteilung, d.h. die Differenz zwischen der Zuteilung und dem Sollanspruch, steuerpflichtig. Die gleiche Regelung wurde aus denselben Gründen auch in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG für die Verfahren der Baulandumlegung nach dem Baugesetzbuch (BauGB) eingeführt.
Allgemeines zum Ökokonto: Ein Ökokonto und die darauf eingebuchten Ökopunkte sind ein naturschutzrechtliches Instrument. Die Naturschutzgesetze des Bundes und der Länder fordern Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild. Wer in diesem Sinne eingreifen will, muss diesen „Öko-Kredit“ wieder zurückzahlen, also kompensieren. Dies geschieht über Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen (Kompensationsmaßnahmen), deren Umfang in sog. Ökopunkten gemessen wird. Diese Kompensationsmaßnahmen können im Hinblick auf zu erwartende Eingriffe „bevorratet“ werden, und zwar auch hinsichtlich für wahrscheinlich gehaltener Eingriffe Dritter. Das Ökokonto kann also auch als „Sparbuch für Naturschutzmaßnahmen“ bezeichnet werden, mit dem die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft zeitlich und räumlich flexibilisiert wird.
Nach § 16 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) richtet sich die Bevorratung von vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mittels Ökokonten nach Landesrecht. Im Streitfall ergeben sich die Rechtsgrundlagen aus der Ökokonto VO, die gestützt auf § 32 LNatSchG NRW erlassen wurde. Nach § 1 der Ökokonto VO werden in einem Ökokonto vorgezogene Kompensationsmaßnahmen nach Durchführung der Maßnahmen dokumentiert und durch Einbuchung oder Abbuchung verwaltet (Ökokontoführung). Dies erfolgt durch Einrichtung eines Kontos bei der unteren Naturschutzbehörde der Kreise und kreisfreien Städte (§ 2 Abs. 1) oder durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (§ 2 Abs. 2).
Für die Anerkennung vorgezogener Kompensationsmaßnahmen müssen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 BNatSchG vorliegen (§ 3 Abs. 1 Satz 1). Der Antragsteller muss die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über die Grundstücke nachweisen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1). Die untere Naturschutzbehörde prüft die Eignung als vorgezogene Kompensationsmaßnahme und deren Bewertung (§ 3 Abs. 3) und nimmt die Maßnahme nach Durchführung ab (§ 4 Abs. 2 Satz 2). Die vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen sind bis zu ihrer Abbuchung aus dem Ökokonto zu erhalten und zu pflegen (§ 4 Abs. 3 Satz 1), wobei (erst) nach „Abbuchung“ der Maßnahmen aus dem Ökokonto die Maßnahme grundsätzlich durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gesichert wird. Bis zur Inanspruchnahme durchgeführter Kompensationsmaßnahmen kann der Kontoinhaber ohne Angabe von Gründen die Löschung der Maßnahme aus dem Ökokonto verlangen (§ 5 Abs. 2 Satz 2).
Das Ökokonto ist gegenüber dem Verursacher eines Eingriffs Nachweis über die Anerkennung der Maßnahme und der ordnungsgemäßen Durchführung zum Zeitpunkt der Abnahme (§ 6 Abs. 1 Satz 1). Die Maßnahme wird, wenn sie für einen Eingriff in Anspruch genommen wurde, ausgebucht (§ 6 Abs. 4). Die „Refinanzierung“ erfolgt außerhalb des Ökokontos unmittelbar zwischen dem Antragsteller und dem Kompensationsverpflichteten (§ 6 Abs. 5).
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer: Die Entscheidung, wonach im Streitfall die Ausgleichszahlung für die Übernahme des Ökokontos in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist, begründet das FG – m.E. überzeugend – mit den vorstehend aufgeführten Regelungen der Ökokonto VO. Danach sind die auf dem Ökokonto erfassten Ökopunkte während ihrer gesamten Existenz – also von ihrer Einbuchung bis zur Löschung oder Abbuchung der Maßnahme – kein von dem Grundstück zu trennendes Wirtschaftsgut, sondern mit dem Grundstück verbunden, dessen bestimmten, (teilweise) behördlich anerkannten naturschutzrechtlichen Zustand sie in einem gewissen Umfang repräsentieren. Bei einem Übergang des Eigentums an dem Grundstück können die Ökopunkte daher m.M.n. folgerichtig auch nicht aus dem für die Grunderwerbsteuer maßgeblichen Gegenstand des Erwerbsvorgangs herausgelöst und vom Eigentumsübergang ausgeschlossen werden. Hinzu kommt die Begründung des FG, dass die Ökopunkte in den Fällen, in denen kein Übergang des Eigentums am Grundstück erfolgt, nach dem öffentlich-rechtlichen Regelungsregime nicht unabhängig vom Grundstück in dem Sinne frei handelbar sind, dass ein beliebiger Dritter sie isoliert (zum Zweck des sofortigen oder späteren Weiterverkaufs oder einer späteren Verwendung) erwerben könnte. Dies zeigt ebenfalls, dass die Ausgleichszahlung allein für das Grundstück geleistet worden sein dürfte. Auch die übrigen Leistungen der Klägerin wurden vom FA zutreffend in die Bemessungsgrundlage einbezogenen. Hervorzuheben sind hier die der Teilnehmergemeinschaft entstandenen Vermessungskosten, die für den Erwerb des Grundstücks erstattet wurden, und die Sandabbaurechte. Denn diese sind keine Mineralgewinnungsrechte oder sonstige Gewerbeberechtigungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GrEStG (d.h. kein Ausschluss aus dem Grundstücksbegriff nach § 2 GrEStG), weil es sich bei Sandvorkommen um grundeigene Bodenschätze handelt.
Ausblick: Die vom FG vertretene Ansicht zu dieser Rechtsfrage ist noch nicht in Stein gemeißelt. So hat das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, welche auch eingelegt wurde. Das Verfahren wird derzeit beim BFH unter dem Aktenzeichen II R 47/22 geführt. Ob sich der BFH der Rechtsauffassung des FG anschließen wird oder einerseits die Frage der Verbundenheit zwischen Ökokonto und Grundstück und andererseits die Frage einer etwaigen freien Handelbarkeit der Ökopunkte im Sinne der Klägerin oder ganz anders beurteilen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. Bis dahin sollten gleichgelagerte Fälle im Wege des Rechtsbehelfsverfahrens unter Hinweis auf das anhängige BFH-Verfahren II R 47/22 offengehalten werden.
Abschließend sei auf die Feststellung des FG hingewiesen, dass es für die Grunderwerbsteuer unerheblich ist, ob die Ökopunkte beim Grundstückseigentümer als immaterielles Wirtschaftsgut neben dem Grundstück zu bilanzieren sind (für eine eigenständige Aktivierung im Umlaufvermögen vgl. Junker/Weiler, StB 2010, 268; Nägel in Heymann, § 248 HGB Rn. 32) und wie sie beim Erwerber (wohl als Anschaffungs- und Herstellungskosten des Bauvorhabens, so Nägel in Heymann, § 248 HGB Rn. 32) zu bilanzieren sind.
Hinweis: Das Urteil im Volltext ist für Mitglieder des HLBS e.V. hier verfügbar.